Die ganze Schwangerschaft über, ja sogar bevor ich überhaupt schwanger war, habe ich gehofft, das Kind möge doch zwei oder gar drei Wochen vor dem errechneten Termin zur Welt kommen. So ist es einerseits bereits ausgereift und es besteht kein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Probleme, andererseits bleiben mir so die letzten, mühsamsten Schwangeschaftswochen erspart. Was soll ich sagen, der Kleine zeigt sich von Anfang an kooperativ.
In der 38. Schwangerschaftswoche hatten wir einen Termin im Süden des Landes, vier Autostunden von zu Hause – und somit der auserwählten Geburtsklinik – entfernt. Bei der Terminvereinbarung haben wir schon angemerkt, dass wir ihn allenfalls kurzfristig absagen müssen, da er in die Zeit kurz vor der erwarteten Geburt fällt. Nichtsdestotrotz haben wir uns gesagt, wenn wir schon so eine lange Autofahrt auf uns nehmen und in einen so schönen Landesteil fahren, wollen wir die Zeit da doch bestmöglich nutzen und haben entschieden, gleich drei Tage zu bleiben. Der Plan war, Anreise am 29.08., Übernachtung im Hotel, 30.08. vormittags Termin, nachmittags wandern, Übernachtung, 31.08. gemütlich frühstücken, mit dem Hund spazieren gehen und dann wieder abreisen. Es kam anders.
Alles begann ganz unauffällig. Wir reisten wie geplant am 30.08. an, bezogen das Hotelzimmer, gingen mit dem Hund spazieren und kehrten abends ins Hotel zurück. Nach der langen Reise und auch wegen der fortgeschrittenen Schwangerschaft war ich sehr müde und legte mich früh schlafen. Am nächsten Morgen frühstückten wir, drehten eine Runde mit dem Hund und begaben uns dann zum vereinbarten Termin. Nachmittags gingen wir „wandern“, soweit mein Zustand es halt zuliess. Nach dem Nachtessen legten wir uns schlafen. Um 01:00 des 31.08. musste ich auf die Toilette und stellte bei der Rückkehr ins Bett fest, dass eine grössere Menge Flüssigkeit ausgetreten war. Die Flüssigkeit war rosafarben und ich wusste sofort, dass es sich um Fruchtwasser handeln musste. Da ich meinen Freund nicht unnötig wecken wollte und hoffte, dass ich die wenigen Stunden bis zum Morgen noch zuwarten könnte, legte ich mich nochmals hin. Eine Stunde später trat dann eine noch grössere Menge Fruchtwasser aus. Da konnte ich mich der Dynamik nicht mehr entziehen und weckte meinen Freund. Wir packten alles ins Auto und fuhren um halb 3 Uhr, also mitten in der Nacht, los. Der arme Hund war noch ganz verschlafen, als wir ihn zum Aufstehen nötigten.
Die Fahrt nach Hause verlief dann sehr abenteuerlich. Starkregen begleitete uns, es war stockdunkel und teilweise war die Sicht so schlecht, dass man im Bereich von Baustellen nicht wusste, wo man nun genau durchfahren sollte. So fuhren wir auf der Autobahn teilweise Schritttempo.
Um halb 7 waren wir dann zu Hause und ich rief das Krankenhaus an, um unsere Ankunft zu melden. Es eilte nun nicht mehr so, da ich ja keine Wehen hatte und soweit alles ok war. Gegen halb 8 trafen wir im Spital ein. Ein Ultraschall wurde gemacht, der ergab, dass das Kind günstig lag und alles in Ordnung war. Lustigerweise bemerkten alle, mein Bauch wäre sehr klein, was überhaupt nicht meiner eigenen Wahrnehmung entsprach. Ich hatte das Gefühl, mein Bauch wäre rie-sig! Entzündungszeichen gab es ebenfalls keine, weshalb ich vorerst wieder nach Hause gehen durfte, um auf den Beginn der Wehen zu warten. Da spätestens 24 Stunden nach dem Blasensprung die Geburt eingeleitet werden muss, vereinbarten wir, dass wir um 22:00 Uhr ins Spital gehen würden, falls sich keine spontanen Wehen einstellten. Die Hebamme gab mir noch ein Öl mit, das ich auf den Bauch geben sollte, um die Wehen zu fördern. Ich nahm es aus Höflichkeit an, da mir klar war, dass kein Öl der Welt Wehen auslösen kann. Zu Hause angekommen schliefen wir uns erst einmal aus. Den Rest des Tages lag ich mehrheitlich im Bett, da ich nicht mehr so ganz fit war uns auch ständig grössere Mengen Fruchtwasser abging. Da sich keine spontanen Wehen einstellten, begaben wir uns um 22:00 Uhr zu Fuss ins Spital. Es regnete und wir kamen ganz durchnässt an.
Im Spital richteten mein Freund und ich uns im Gebärsaal ein und ein CTG wurde angelegt. Um Mitternacht wurden die Wehen dann eingeleitet. Um 01:00 Uhr, also eine Stunde nach Einleitung, begannen die Wehen. Zuerst im Abstand von etwa 9 Minuten, dann immer kürzer, bis zu um halb 6 Uhr morgens etwa im Abstand von 3 Minuten kamen. Allerdings waren sie immer unregelmässig, was die herbeigerufene Hebamme dazu veranlasste anzunehmen, dass es sich um keine „richtigen“ Wehen handelte. Nur regelmässige Wehen seien „richtige“ Wehen. Als um 09:00 Uhr die Wehen weiterhin unregelmässig im Abstand zwischen 2 und 5 Minuten kamen, meinte die Hebamme, sie wolle nochmals Medikamente zur Förderung der Wehen geben. Aus einer Eingebung kontrollierte sie zuvor dann doch noch den Muttermund und stellte sehr überrascht fest, dass er bereits 2 cm geöffnet war und die Geburt somit in vollem Gange. Um 11:00 Uhr sollte dann nochmals eine Blutentnahme erfolgen, um zu prüfen, ob sich Anzeichen für eine Infektion ergeben. Bei dieser Gelegenheit wurde ein Zugang gelegt, da ich angemerkt hatte, dass ich später eine PDA wünschte. Das Legen des Zugangs habe ich als sehr unangenehm empfunden, da ich mich währenddessen nicht mehr so gut auf die Wehen konzentrieren konnte und den Schmerz dadurch sehr heftig wahrnahm. Die Folge war, dass ich erbrechen musste und die Gelassenheit und Fokussierung von vorher nicht mehr wiederfand. Am Mittag wurde daher der Anästhesist gerufen, um die PDA zu legen.
Das Legen der PDA gelang leider nicht ganz ohne Komplikationen. Der Anästhesist klärte mich vorschriftsgemäss über die Risiken auf und legte dann los. Er konnte die PDA zu seiner vollen Zufriedenheit platzieren – nur leider wirkte sie nicht. Er dosierte den Wirkstoff höher und höher und reagierte ganz ungläubig darauf, dass ich keinerlei Schmerzlinderung verspürte. Nach mehr als einer Stunde, es war mittlerweile halb 2 Uhr nachmittags, entschloss er sich, eine zweite PDA zu legen. Diese wirkte dann sofort, was mir grosse Erleichterung verschaffte.
Mittlerweile hatte die Austreibungsphase begonnen und ich hatte den Drang zu pressen. Durch die PDA spürte ich die Wehen nicht mehr, was das Timing des Pressens erschwerte. Ein Hebammenwechsel bescherte uns eine etwas esotherisch angehauchte Person, was uns gar nicht entsprach. Nach 15 Stunden Wehen hatte ich nicht mehr den Nerv, „mental“ mit dem „Schätzeli“ Kontakt aufzunehmen und ihm zu sagen, dass wir das schon schaffen. Die Hebamme hatte auch die unangenehme Angewohnheit, vor jedem einzelnen Handgriff meine ausdrückliche, mit Nachdruck geäussrte Einwilligung einzuholen. Diese Zögerlichkeit war sehr anstrengend. Hätte ich nicht angefasst werden wollen, hätte ich alleine im Wald geboren. Durch die fehlenden klaren Anweisungen seitens der Hebamme verzögerte sich alles. Als die Herztöne des Kindes dann auf Stress hinwiesen, rief sie eine Ärztin hinzu, die zum Glück das genaue Gegenteil war – zupackend, klar, bestimmt. Nachdem die Ärztin die Zügel in die Hand genommen hatte und mir klar gesagt hat, was ich zu tun habe, dauerte es noch zwei Wehen und das Kind war da. Ich war geschafft, aber glücklich – und der Papi, der die ganze Zeit mitleiden musste und einen super Job gemacht hat, auch!